Zwischen Vertrauen und Kontrolle

Wie viel darf KI allein machen?
© Frank Rietsch / Pixabay
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Dominik Faber
11. August 2025 | 
Dominik Faber

Eine neue Servicekraft wird gesucht. Die Besetzung der Stelle ist dringend, die Zeit knapp – und die Bewerbung kommt nachts um halb eins. Nicht per E-Mail, sondern über WhatsApp. Die ersten Fragen beantwortet ein KI-gestützter Chatbot, der Termin für das Probearbeiten wird automatisch vorgeschlagen. Alles läuft effizient, schnell und scheinbar ganz ohne menschliches Zutun.

Solche Prozesse sind längst kein Zukunftsszenario mehr, sondern Realität. Doch genau hier stellt sich die Frage: Wie viel darf KI eigentlich allein entscheiden – und wann braucht es den Menschen als Kontrollinstanz? Zwischen Automatisierung und Verantwortung entsteht ein neues Spannungsfeld, das besonders in personalintensiven Branchen wie der Gastronomie und Lebensmittelproduktion sensibel gestaltet werden muss.

Warum Transparenz wichtiger ist als Tempo

Eines der größten Missverständnisse im Umgang mit KI ist der Glaube an ihre Neutralität. Doch Algorithmen basieren auf Trainingsdaten, und diese können Vorurteile oder Verzerrungen beinhalten. Wer glaubt, KI sei fehlerfrei, irrt. Das Ziel muss daher sein, Entscheidungen nachvollziehbar zu gestalten – etwa durch das Offenlegen von Kriterien oder Gewichtungen. Unternehmen sollten daher auf Systeme setzen, die so konzipiert sind, dass Prozesse transparent einsehbar und dokumentiert sind. Zusätzlich sichern dann sogenannte „Human in the Loop“-Features die finale Entscheidung ab. Die KI gibt eine Empfehlung – das letzte Wort hat der Mensch. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern sichert die Fairness und Qualität.

Kontrolle heißt Verantwortung übernehmen

Besonders in sensiblen Bereichen wie dem Recruiting dürfen Unternehmen die Kontrolle nicht abgeben. KI ist ein Werkzeug – und richtig eingesetzt eine echte Superkraft für HR und das Management. Sie ersetzt keine Menschen, aber erweitert deren Möglichkeiten erheblich. Die Verantwortung für ihren Einsatz liegt jedoch auch genau dort. Deshalb ist es entscheidend, dass Unternehmen klare Zuständigkeiten definieren, Entscheidungswege dokumentieren und bei Bedarf manuell eingreifen können. Im Falle fehlerhafter Entscheidungen oder Datenverarbeitung müssen Korrekturmöglichkeiten bestehen – auch, um haftungsrechtlich auf der sicheren Seite zu stehen. Vertrauen entsteht nur dort, wo Prozesse transparent, nachvollziehbar und korrigierbar bleiben.

Skepsis ernst nehmen, Potenziale sichtbar machen

In der Praxis zeigt sich: Mitarbeitende stehen KI zunächst skeptisch gegenüber. Der Gedanke, dass eine Maschine über Menschen entscheidet, löst bei vielen Unbehagen aus. Hier hilft eine offene Kommunikation. Wer erklärt, wo und wie KI entlastet – etwa bei der Beantwortung häufig gestellter Fragen oder der automatisierten Terminvergabe – nimmt Ängste und schafft Akzeptanz. Teams erleben so, dass die KI keine Arbeit wegnimmt, sondern Freiräume für wichtigere Aufgaben schafft. Die Kontrolle bleibt beim HR-Team, die Kommunikation wird schneller und verlässlicher – auch über Kanäle wie WhatsApp oder Microsoft Teams.

Digitalisierung in der Branche muss pragmatisch und menschlich sein

Gerade in der Food- & Beverage-Branche, wo viele Mitarbeitende keinen klassischen Büroarbeitsplatz haben und der Zeitdruck hoch ist, bietet KI großes Potenzial. Bewerbungen können heute per Smartphone und Chat angestoßen, relevante Informationen in wenigen Minuten abgefragt und direkt verarbeitet werden – auch mehrsprachig. Das senkt nicht nur Hürden für Bewerbende, sondern beschleunigt den Prozess enorm.

Ein Beispiel: Betriebe, die Bewerbungen via Whats-App ermöglichen, berichten von 80 Prozent höheren Bewerberzahlen. Das zeigt: Niedrigschwellige, digitale Prozesse machen den Unterschied. Zudem entfallen durch die KI-gestützte Kommunikation und Automatisierung zeitraubende Abstimmungen im Vorfeld. So kann sich HR wieder auf das konzentrieren, was zählt: Menschen für die Arbeit zu begeistern – nicht für die Bürokratie.

Blick nach vorn: KI als Co-Pilot – nicht als Autopilot

Die Zukunft gehört der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Eine vollständig autonome KI würde an vielen menschlichen Faktoren scheitern, etwa bei Empathie, Fairness oder Diversität. Als intelligenter Co-Pilot hingegen kann sie HR-Prozesse wirkungsvoll unterstützen und auf ein neues Niveau heben. Im Recruiting wird KI künftig noch stärker bei Matching und Vorschlägen agieren – zum Beispiel durch semantische Analysen oder Kontextverständnis. Auch Gespräche mit KI-Assistenten per Telefon sind denkbar. Dennoch bleibt die Verantwortung beim Menschen.

Künstliche Intelligenz darf keine undurchsichtige Blackbox sein. Nur wenn sie nachvollziehbar, ethisch durchdacht und mit einem klaren Fokus auf den Menschen entwickelt wird, kann sie ihr volles Potenzial entfalten. Das gilt vor allem dort, wo Vertrauen die Grundlage jeder Beziehung ist – im Kontakt zwischen Arbeitgebenden und zukünftigen Mitarbeitenden.

Aus dem Genusspunkt Magazin Mai-Aug 2025

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