Slow Food Market Stieglgut Wildshut

Warum eine leise Bewegung zur stärksten Zukunftsstrategie der Kulinarik wird
© Günter Freund / wildbild
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Alexandra Gorsche © Conny Leitgeb Photography
26. November 2025 | 
Alexandra Gorsche

Der Slow Food Wintermarkt am Stiegl-Gut Wildshut zeigt, wie Zukunft in der Kulinarik wirklich entsteht: durch Regionalität mit Weitblick, handwerkliche Lebensmittelproduktion und starke Kooperationen zwischen Produzent:innen, Köch:innen und Gastgeber:innen. Zwischen Rohmilchkäse aus dem Lungau, alpinen Fermenten, Südtiroler Panettone, seltenen Berggemüse-Sorten und innovativen Garums wird spürbar, warum Slow Food heute mehr ist als ein Trend – nämlich ein zukunftsweisendes Qualitäts- und Nachhaltigkeitskonzept für Gastronomie und Hotellerie. Dieses Event macht sichtbar, wie „Good, Clean, Fair“ zur wirtschaftlich relevanten Strategie wird und warum Herkunft, Handwerk und echte Beziehungen künftig über den Erfolg von Küchen und Betrieben entscheiden.

„This isn’t a market. This is a revolution disguised as food.“

Der Satz beschreibt präzise, was am Stiegl-Gut Wildshut Ende November 2025 zu spüren war. Der Slow Food Wintermarkt, der nach seinem erfolgreichen Auftakt im November 2024 erneut zum Entdecken und Verweilen einlud, war weit mehr als eine Veranstaltung. Er war ein lebendiger Beweis dafür, dass die Zukunft der Kulinarik nicht im Schneller, Höher, weiter liegt, sondern im Bewussten, Regionalen, Handwerklichen – und im Mut zur Kooperation.

Ein Ort, der zeigt, wie Zukunft schmeckt

Stiegl-Gut Wildshut ist dafür ein idealer Ort. Hier, wo sich alpine Traditionsprodukte, italienische Handwerkskunst und internationale Slow-Food-Konzepte auf natürliche Weise begegnen, entsteht ein Bild, das die Branche genau jetzt braucht: Regionalität verliert ihre Kraft nicht durch Weitblick – im Gegenteil, sie gewinnt. Der Wintermarkt zeigte, wie unmittelbar Herkunft, Handwerk, Nachhaltigkeit und kulturelle Wurzeln spürbar werden, wenn Produzent:innen aus Österreich, Italien und Südtirol ihre Arbeit nicht nur präsentieren, sondern erklären, begründen und leben.

Was diese Veranstaltung besonders machte, war die Qualität der Begegnungen. Fischspezialist Walter Grüll brachte kostbare Schmankerl wie Störfilet al Pomodoro, während italienische und kärntnerische Betriebe mit veredelten Gemüsespezialitäten, Ölen und seltenen Produkten ein sensorisches Panorama boten, das in dieser Komplexität nur durch echte Handarbeit und kurze Wege möglich ist. Und überall begegnete man dem, was Slow Food so besonders macht: der stillen Präzision jener, die für Qualität keine Abkürzungen akzeptieren.

Handwerk, das Haltung beweist

Dieser Gedanke wird auch beim Hiasnhof der Familie Naynar sichtbar. Ein bio-zertifizierter Bergbauernhof auf 1.250 Metern Höhe, der seit 30 Jahren konsequent biologisch wirtschaftet – ganz ohne Pasteurisierung, ohne industrielle Hilfsmittel, ohne Kompromisse. In der hofeigenen Käserei wird die euterwarme Milch von Kühen und Ziegen wie vor 100 Jahren verarbeitet: im Kupferkessel über dem Holzofen, gerührt von Hand, abgefüllt in Leinentücher und reifend in Formen, die von Generationen getragen wurden.

Die Welt der Fermente wurden repräsentiert durch LUVI. Christine Brameshuber, Lukas Nagl und Viktor Gruber entwickeln aus regionalen Rohstoffen wie österreichischen Sojabohnen, geröstetem Weizen, Fischabschnitten aus dem Traunsee oder Mohn aus dem Waldviertel jene Produkte, die die moderne Küche dringender denn je braucht: regionale Alternativen zu globalisierten Industriewürzsaucen. Ihre Sojasaucen, Misos und Garums entstehen nicht aus Exotik, sondern aus Kreislaufdenken – und liefern Aromen, die tief, vielschichtig und zugleich zutiefst alpin sind. Was die Branche daraus lernen kann, ist klar: Innovation entsteht nicht im Widerspruch zur Region, sondern aus ihrer Weiterentwicklung.

Eine ähnlich starke Geschichte erzählte der Südtiroler Graukäse. Einst ein „Arme-Leute-Essen“, hergestellt aus dem, was nach der Buttergewinnung übrig blieb; heute ein Slow-Food-Presidio und beispielhaft für die Renaissance vergessener Ressourcen. Er zeigt, wie Resteverwertung zur Hochkultur wird, wenn Tradition und Neugier aufeinandertreffen. Seine Wiedergeburt in der Spitzengastronomie steht sinnbildlich für eine Zeit, in der nichts mehr verschwendet und alles neu gedacht wird – ein Gedankenmodell, das die Branche angesichts steigender Preise und knapper Ressourcen stärker denn je braucht.

Wie moderne Küche Herkunft nicht ersetzt, sondern erweitert

Zu den kulinarischen Höhepunkten des Wintermarkts gehörte der Kochkurs von Tina Marcelli, Gault-Millau-Köchin des Jahres 2025. Ihre Südtiroler Küche lebt von Respekt – vor der Natur, vor ihrer Heimat und vor den Traditionen, die sie weiterentwickelt. Zubereitet wurden Speckknödel und Raviolo mit wachsweichem Eigelb, Ricotta aus Sauermolke vom Hiasnhof, Spinat und Trüffel. Gerichte, die zeigen, wie Moderne und Herkunft partnerschaftlich wirken können. Marcellis Panettoni – darunter der mit der Gewürzmischung ihrer Großmutter veredelte Berg-Panettone – standen für die Kraft von Erinnerungen, die in Produkten weiterleben. Ihre Zusammenarbeit mit Klara Naynar, ihre Auswahl der Produzenten, ihr bewusster Umgang mit Rohstoffen: all das ist Slow Food im besten Sinne. Diese Haltung spiegelte sich im gesamten Markt wider, ob bei Tement-Verjus, bei den eingelegten Spezialitäten von Vitus Winkler oder bei Fleischprodukten der Metzgerei Kriechbaum. Auch Papipane zeigte mit österreichischem Panettone, wie italienische Tradition im Alpenraum neue Blüten treibt.

Warum Slow Food eine kulturelle Brücke schlägt

Eine besondere Stimme im Marktgeschehen war Herwig Ertl, Edelgreißler, einer der konsequentesten Slow-Food-Vordenker im deutschsprachigen Raum. Seine Botschaft: Genuss hört nicht an Grenzen auf. Für ihn verbindet die erste Slow Food Travel Region der Welt – Kärnten, Friaul und Slowenien – Kulinarik mit Kultur, Landschaft mit Handwerk, Tradition mit Zukunft. „Slow Food ist die größte Friedensdemonstration der Welt. Jeder bemüht sich gut, sauber, fair zu produzieren und zu erzeugen – damit es allen gut geht“, sagte er. Ein Satz, der tief wirkt, weil er zeigt, dass Kulinarik nicht nur ein Wirtschaftszweig ist, sondern ein gesellschaftliches Werkzeug.

Auch organisatorisch wurde sichtbar, wie viel Sorgfalt in dieser Veranstaltung steckt. Eine der beiden Initiatorinnen Ilse Fischer beschrieb Slow Food als Zusammenspiel besonderer Lebensmittel, besonderer Produzenten und besonderer Kocharten – alles in höchster Qualität. Der Markt bot nicht nur Genuss für Erwachsene, sondern schuf mit Backstationen und nostalgischem Karussell ein Umfeld, in dem Kinder Lebensmittel nicht konsumieren, sondern kennenlernen. Wer früh versteht, wie viel Arbeit, Wert und Respekt hinter einem Produkt stecken, wird später bewusster essen – und bewusster auswählen.

Für die Branche liefert der Wintermarkt damit wesentliche Impulse. Herkunft ist zur neuen Währung geworden; echte Kooperationen sind wertvoller als Werbekampagnen; handwerkliche Produkte gewinnen an Relevanz, weil sie Geschichten tragen, die Gäste emotional binden; und Innovation entsteht aus dem Mut, Traditionen zu hinterfragen, anstatt sie zu verlassen. Slow Food zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht Verzicht bedeutet, sondern Intensität. Nicht Rückzug, sondern Fortschritt.

Ein Blick nach vorn: Authentizität als Erfolgsfaktor

Wildshut macht sichtbar, was viele Betriebe bereits spüren: Die Zukunft liegt im Authentischen. Im Guten, Sauberen, Fairen. In Beziehungen statt Lieferketten, in Persönlichkeiten statt Markeninszenierungen, im Wissen statt im Marketing. Slow Food ist kein nostalgischer Gegenentwurf zur Moderne – es ist ein Zukunftsmodell, das die Branche nachhaltig prägen wird. Und Wildshut ist einer der Orte, an denen man dessen Geschmack am deutlichsten spürt.

Eine Auswahl der Top-Produzenten vor Ort:

  • Hiasnhof Bio-Rohmilchkäse (Familie Naynar, Salzburg/Lungau)
    Heumilch von Kuh & Ziege, traditionelle Rohmilchverarbeitung im Kupferkessel über Holzfeuer, 30 Jahre bio-zertifiziert, handgemachte Käsevielfalt inkl. Bergkäse, Blauschimmel, Münster, Crottin, Ziegen-„Spätlese“ und Hofspezialitäten aus Kräutern, Gemüse & Obst.
  • LUVI Fermente (Brameshuber / Nagl / Gruber, Österreich)
    Regionale Fermente aus Bio-Sojabohnen, Weizen und Fischabschnitten; Sojasaucen, Misos & Garums mit alpiner Identität; nachhaltige Mikroorganismenforschung und Kreislaufwirtschaft.
  • Graukäse-Produzent:innen aus Südtirol (Ahrntal)
    Traditioneller Sauermilchkäse, Slow-Food-Presidio, Wiederentdeckung eines „Arme-Leute-Produkts“ durch Spitzenküche; Herstellung aus Magermilch nach Butterproduktion, lange Reifung, natürliche Schimmelbildung.
  • Walter Grüll – Grüll Fischhandel (Österreich)
    Edle Fischspezialitäten, Kaviar, Meeresprodukte und konservierte Delikatessen; Pionier für nachhaltige Fischverarbeitung.
  • Rudi & Karl Obauer (Österreich)
    Eingemachte Spezialitäten, hochwertige Gerichte im Glas und saisonale Genussprodukte aus der Sterneküche.
  • Vitus Winkler (Salzburg / Pongau)
    Eingelegtes, fermentierte Gemüse und aromatisch verfeinerte Küchen-Klassiker aus alpinem Handwerk.
  • Döllerers Genusswelten (Golling, Österreich)
    Eingemachte Spezialitäten, Fleischprodukte und regionale Feinkost mit Fokus auf Handwerk und Herkunft.
  • Papipane (Österreich)
    Handgemachte Panettone in traditioneller langer Teigführung; hochwertige saisonale Zutaten, alpin-italienisch interpretierte Süßwarenkunst.
  • Tina Marcelli (Südtirol / Italien)
    Köchin des Jahres 2025; alpine Panettone-Spezialitäten inkl. Berg-Panettone und Schlutzkrapfen; Südtiroler Kochkurs mit Speckknödel und Raviolo-Gericht mit Ricotta aus Sauermolke.
  • Tement (Steiermark, Österreich)
    Verjus-Produkte und hochwertige Säurekomponenten für moderne Naturküche.
  • Metzgerei Kriechbaum (Österreich)
    Fleischspezialitäten wie Salsiccia Piment, Handwerk aus regionalen Tierbeständen.
  • Una Selezione della Nostra Azienda (Italien, biologische Berglandwirtschaft)
    Vielfalt an biologischem Berggemüse, Obst, Wildkräutern und aromatischen Blumen; regional zertifizierte „Prodotto di montagna“-Produktion.
  • Herwig Ertl – Edelgreißler (Kärnten / Slow Food Travel Region)
    Grenzüberschreitende alpine Feinkost aus Kärnten, Friaul & Slowenien, kuratierte Geschmackskombinationen, Botschafter der ersten Slow Food Travel Region der Welt.

Ausblick mit Genuss & Buchtipp

Wer den diesjährigen Wintermarkt erlebt hat, weiß: Diese Reise ist noch lange nicht zu Ende. Auch 2026 wird es wieder einen Slow Food Wintermarkt am Stiegl-Gut Wildshut geben – wie gewohnt Ende November. Der genaue Termin wird im Jänner veröffentlicht, aber eines steht schon fest: Es wird erneut ein Fest für Herkunft, Handwerk und Haltung.

Im September 2026 erscheint das Buch „SLOW – Food mit Verstand. Stiegl Gut Wildshut & Friends“ – ein Projekt, das die Geschichten, Menschen und Produkte hinter diesem besonderen Ort sichtbar macht. Präsentiert wird dieses am Slow Food Wintermarkt 2026.

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Slow Food Market Stieglgut Wildshut

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