„Ein Café oder Coffeeshop ist heute mehr denn je ein Ort der Begegnung für Jung und Alt – ein sozialer Treffpunkt, der über guten Kaffee hinaus eine besondere Atmosphäre und Identität vermittelt.“
Zwischen Wiener Kaffeekultur und moderner Third-Wave-Bewegung: Bei den Cottage Roasters treffen handwerklich gerösteter Kaffee, hauseigene Mehlspeisen und ein urbanes Cafékonzept aufeinander. Ein Besuch im „Kleinen Diglas“ am Fleischmarkt zeigt, wie spannend Kaffee heute sein kann.
Wien und Kaffee – das ist eine Liaison mit Geschichte. Doch während viele Traditionshäuser an alten Ritualen festhalten, bringt ein Familienbetrieb frischen Wind in die Tasse: Mit Cottage Roasters eröffnen Elisabeth und Markus Schneider-Diglas ein neues Kapitel im Herzen der Stadt. Seit Dezember 2024 duftet es am Fleischmarkt 16 nicht nur nach frischem Gebäck, sondern auch nach frisch geröstetem Specialty Coffee – direkt vom Gersthofer Markt in Währing.
Die Idee: Kaffee als Erlebnis, nicht als Nebenprodukt. Mitten in der Innenstadt vereinen die Cottage Roasters das Beste aus zwei Welten: Die handwerkliche Röstung trifft auf klassisches Konditorenhandwerk – serviert im liebevoll renovierten Lokal mit modernem Bar-Konzept und offener Kaffeezubereitung auf einer Black Eagle Maverick, der Top-Maschine der Barista-Weltmeisterschaften.
Wie gelingt dieser Spagat zwischen Tradition und Trend? Warum ist Kaffee heute ein Markenbotschafter? Und worauf kommt es bei Geschmack, Qualität und wirtschaftlicher Skalierung wirklich an? Markus Schneider-Diglas gibt Einblicke – direkt aus der Tasse.
ALEXANDRA GORSCHE: Du führst ein modernes Coffee-Shop-Konzept an einem traditionsreichen Standort – was war der wichtigste strategische Gedanke hinter dieser Neuausrichtung?
MARKUS SCHNEIDER-DIGLAS: Auf unseren zahlreichen Besuchen in Specialty-Coffeeshops, die oft mit exzellentem Kaffee überzeugen, begegneten wir immer wieder Klassikern wie Cookies, Carrot Cake und Brownies. Doch echte, hausgemachte Mehlspeisen blieben meist eine Seltenheit. In traditionsreichen Kaffeehäusern hingegen steht die Mehlspeise oft im Mittelpunkt, während der Kaffee als bloßes Nebenprodukt erscheint – leider oft ohne die Qualität, die wir uns wünschen.
Als „nächste Generation“, die übernommen hat, wollten wir diese Gegensätze auflösen und als Stärken beider Seiten vereinen: herausragender Kaffee, perfekt abgestimmt auf erstklassige, selbst produzierte Mehlspeisen. Eine harmonische Verbindung von Qualität und Handwerkskunst, die Tradition neu interpretiert.
Viele Hotels und Restaurants servieren Kaffee „mitlaufend“ – du machst ihn zur Bühne. Warum lohnt es sich heute mehr denn je, Kaffee als Erlebnis zu inszenieren?
Ein guter Kaffee zum Frühstück lädt dazu ein, noch eine Tasse zu genießen – oder ihn später an einem anderen Ort in Ruhe zu trinken. Nach dem Essen bildet er oft den krönenden Abschluss eines gelungenen Menüs. Doch wenn dieser Moment enttäuscht, hinterlässt er einen faden Beigeschmack, der nicht zur Perfektion der Menüfolge passt.
Kund:innen kehren immer wieder zurück, wenn das Gesamtpaket stimmig ist – und ein exzellenter Kaffee spielt dabei eine entscheidende Rolle. Umso wertvoller wird das Erlebnis, wenn man nicht nur den Geschmack genießt, sondern auch die Herkunft der Bohnen und die Philosophie des Röstmeisters kennt. Diese Transparenz und Qualität verleihen dem Kaffee eine ganz neue Bedeutung und laden dazu ein, immer wieder zurückzukommen.
Was sind aus deiner Sicht die drei wichtigsten Parameter für einen geschmacklich herausragenden Kaffee in der Gastronomie – und wo liegt oft der größte Fehler?
Der größte Fehler in der Gastronomie liegt meistens am langen, zu heißen „Durchlaufen“ des Kaffees mit zu wenig Kaffeepulver, bei schlecht eingestelltem Mahlgrad und zu wenigen Reinigungszyklen.
Gäste sind bereit, für exzellenten Kaffee einen fairen Preis zu zahlen – vorausgesetzt, sie erkennen die Wertigkeit und den Unterschied zum Standardprodukt.
Du röstest selbst und setzt auf mittlere Röstgrade mit klarer Herkunft. Was können auch kleinere Betriebe lernen, die keinen eigenen Röster haben?
Kaffee verdient meiner Meinung nach denselben Stellenwert wie Wein – eine Welt voller Vielfalt, geprägt von Herkunft, Sorte und Röstung. Erst durch das Probieren verschiedener Nuancen entdeckt man, welche Charakteristik wirklich begeistert. Denn Kaffee muss weder bitter noch verbrannt schmecken; vielmehr offenbart er eine faszinierende Bandbreite an Aromen.
Frucht, Säure und Körper spielen dabei eine ebenso entscheidende Rolle wie beim edlen Tropfen.
Anstatt sich langfristig an große Hersteller zu binden, lohnt es sich, auf lokale Röster zu setzen. Sie verstehen es, mit Leidenschaft und Präzision auf individuelle Wünsche einzugehen und bieten eine Qualität, die jeden Schluck zu einem Erlebnis macht.
Wie wichtig ist das Zusammenspiel von Röstung und Wasserqualität – und welche Tools oder Standards empfiehlst du Gastronom:innen bei der Zubereitung?
Da Wasser den größten Anteil in jeder Tasse Kaffee ausmacht, spielt seine Qualität eine entscheidende Rolle. In Österreich haben wir dabei einen klaren Vorteil gegenüber vielen anderen Ländern, in denen es durch Chlor oder andere Zusatzstoffe oft verfälscht schmeckt.
Damit die feinen Aromen, die der Röster mit seinen sorgfältig abgestimmten Röstprofilen herausarbeitet, voll zur Geltung kommen, sollte das Wasser den Geschmack nicht dominieren, sondern ihn unterstützen. Hier sind Wasserfilter und die richtige Brühtemperatur essenziell, denn sie tragen dazu bei, das volle Potenzial des Kaffees zu entfalten.
Du arbeitest mit einer Black Eagle Maverick – ein echtes Topmodell. Wie beurteilst du das Verhältnis zwischen Investitionskosten und Ergebnisqualität?
In unseren Cafés, Restaurants und dem neuen Coffeeshop setzen wir verschiedene Maschinenmodelle ein. Doch eine wichtige Erkenntnis hat sich bestätigt: Selbst bei identischer Bohne macht die Investition in hochwertiges Equipment und bestens geschultes Personal einen spürbaren Unterschied. Die Qualität des Kaffees steigt merklich, wenn jeder Schritt der Zubereitung mit Präzision, Fachwissen und erstklassiger Technik begleitet wird.
Lässt sich hochwertige Kaffeequalität in der Gastronomie auch wirtschaftlich sinnvoll skalieren – oder bleibt das ein Luxus für Boutique-Betriebe?
Gäste sind bereit, für exzellenten Kaffee einen fairen Preis zu zahlen – vorausgesetzt, sie erkennen die Wertigkeit und den Unterschied zum Standardprodukt. Die Kaffeepreise sind in den letzten zwölf Monaten drastisch gestiegen, teils um 100 %, wodurch die Lücke zwischen Massenware und Spitzenqualität kleiner geworden ist.
Umso wichtiger ist es, den Mehrwert eines hochwertigen Kaffees klar zu vermitteln. Durch Transparenz über Herkunft, nachhaltige Produktion und geschulte Baristas lässt sich der wahrgenommene Wert spürbar steigern.
Interessanterweise zeigt sich oft ein gegensätzliches Preisgefüge: Während in Coffeeshops erstklassiger Kaffee häufig günstiger angeboten wird als Standardprodukte in traditionellen Kaffeehäusern, besteht hier noch Luft nach oben – Qualität verdient Anerkennung.
Wie organisierst du Logistik und Nachschub bei einer eigenen Rösterei – und welche Rolle spielt das Kaffee-Abo in deiner Kalkulation?
Unsere Kaffeeplanung erfolgt stets langfristig: Wir kaufen etwa ein Jahr im Voraus ein und analysieren genau, welche Blends oder Single Origins sich besonders bewährt haben. Um Frische und Qualität zu garantieren, rösten wir wöchentlich für unsere eigenen Betriebe und verpacken unsere Kaffees in kleinen Chargen – sowohl für den Shop als auch für den Onlineshop.
Das Kaffee-Abo nimmt aktuell noch eine untergeordnete Rolle ein und richtet sich vor allem an Wiederkäufer. Mit über 10 verschiedenen Sorten legen wir großen Wert auf eine individuelle Erstberatung und ein sensorisches Erlebnis vor Ort – denn der persönliche Kontakt und das Erspüren der Aromen machen oft den entscheidenden Unterschied.
Was erwarten Gäste heute wirklich von Kaffee in der Gastronomie – und was unterschätzen viele Gastgeber:innen noch?
Einfach guter Kaffee – frei von extremer Bitterkeit und verbrannten Aromen. Ein Genuss, der selbstverständlich sein sollte, aber oft unterschätzt wird. Gastgeber vernachlässigen ihn häufig, ohne zu erkennen, welchen Einfluss er auf das Gesamterlebnis hat. Doch gerade die kleinen Details machen den Unterschied – und exzellenter Kaffee gehört heute definitiv dazu.
Du kombinierst Erlebnis, Qualität und Tempo – Stichwort Klopffenster & Coffee to go. Was funktioniert in Wien besonders gut, was lässt sich auf andere Städte übertragen?
Die lokale Anpassung spielt eine entscheidende Rolle: Jedes Grätzel hat seine eigene Dynamik, und ein Coffee-to-go-Konzept sollte gezielt auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe abgestimmt sein. Besonders in Touristengegenden funktioniert es oft besser als in Wohngebieten, wo das Kaffeetrinken stärker mit dem häuslichen Alltag verbunden ist.
Was sich überall übertragen lässt, ist die Wertschätzung für Qualität und Handwerkskunst. Gerade auf Städtereisen bevorzugt man das kleine, mit Liebe selbstgemachte Café gegenüber den großen Ketten – ein authentisches Erlebnis, das echten Genuss vermittelt.
Welche Kaffee-Trends siehst du derzeit im Vormarsch – und welche davon werden deiner Meinung nach auch wirtschaftlich relevant für Hotels & Restaurants?
Entkoffeinierte Kaffees erleben derzeit ein starkes Wachstum, da moderne Verfahren wie z.B. der Swiss Water Process – eine chemiefreie Methode – den vollen Geschmack erhalten. So kann Kaffee auch am späten Nachmittag oder Abend genossen werden, ohne auf Qualität oder Aroma verzichten zu müssen.
Generell steigt die Nachfrage nach nachhaltigem Kaffee mit transparenter Herkunft. Gäste schätzen es besonders, wenn sie wissen, woher ihr Kaffee stammt – idealerweise direkt von Produzenten bezogen, in der Region frisch geröstet und im Hotel daneben angeboten. Diese Verbindung von Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit schafft ein einzigartiges Kaffeeerlebnis. Kaffeepackungen und spezielle Mischungen für daheim können im Hotel oder in der Gastro als Zusatzverkauf und Mitbringsel dienen.
Welche Rolle spielt Kaffee für die Zukunftsfähigkeit von Gastronomiebetrieben – als Umsatzbringer, Markenbotschafter oder Community-Baustein?
In größeren Städten steigt die Nachfrage nach individuellen, erlebnisorientierten Kaffeeangeboten stetig. Wer sich von der Masse abheben will, kann gezielt auf regionale Röster-Kooperationen und Marken mit lokalem Bezug setzen – ein Ansatz, der nicht nur Authentizität schafft, sondern auch langfristig wirtschaftliche Vorteile bringt. Ein Café oder Coffeeshop ist heute mehr denn je ein Ort der Begegnung für Jung und Alt – ein sozialer Treffpunkt, der über guten Kaffee hinaus eine besondere Atmosphäre und Identität vermittelt.
Wenn du einem neuen Hotel oder einem bestehenden Gasthaus einen einzigen Tipp zum Thema Kaffee mitgeben könntest – welcher wäre es?
Setze auf lokale Röster und verleihe gutem Kaffee die Bedeutung, die er verdient! Qualität, Regionalität und Handwerkskunst machen den Unterschied.
Name: Cottage Roasters 1010
Adresse: Fleischmarkt 16, 1010 Wien
Öffnungszeiten: Di–Fr 8:30–16:30 Uhr | Sa–So 9:30–16:30 Uhr
Website: www.cottageroasters.at
Konzept: Specialty Coffee, eigene Röstung, traditionelle Mehlspeisen, moderner Barservice
Rösterei: Gersthofer Markt, 1180 Wien – small batch roasting auf 15 kg Trommel
Bohnenstil: 10 Sorten – 8 Single Origins & 2 Signature Blends, benannt nach Straßen in Währing
Maschine: Black Eagle Maverick von Victoria Arduino
Atmosphäre: Mix aus Wiener Kaffeehaus-Charme & urbanem Cafékult – mit offenem Blick auf die Baristas
Gäste sind bereit, für exzellenten Kaffee einen fairen Preis zu zahlen – vorausgesetzt, sie erkennen die Wertigkeit und den Unterschied zum Standardprodukt.
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Zwischen Wiener Kaffeekultur und moderner Third-Wave-Bewegung: Bei den Cottage Roasters treffen handwerklich gerösteter Kaffee, hauseigene Mehlspeisen und ein urbanes Cafékonzept aufeinander. Ein Besuch im „Kleinen Diglas“ am Fleischmarkt zeigt, wie spannend Kaffee heute sein kann.