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Wein mit Charakter

Warum Stefan Potzinger aus der Südsteiermark auf Herkunft, Haltung und Handschrift setzt
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Alexandra Gorsche © Conny Leitgeb Photography
26. Mai 2025 |
Alexandra Gorsche

„Wein ist Berufung – keine Berufsbeschreibung“

Ein Gespräch über Sauvignon Blanc, nachhaltigen Weinbau und die Kunst, Geschichten in Flaschen zu füllen: Winzer Stefan Potzinger spricht im Interview über Herkunft als DNA des Weines, seine Innovation „Welschriesling 10,5“ und warum für ihn Wein nie langweilig wird – sondern zur Lebensaufgabe.

Ein Gespräch über Herkunft, Haltung und Handschrift

Mitten in der Südsteiermark, dort wo die Hänge von Gabersdorf auf Geschichte treffen, treffe ich Stefan Potzinger. Ein Winzer, der nicht nur Sauvignon Blancs von Weltklasse vinifiziert, sondern auch ein klares Bekenntnis zu Herkunft und Nachhaltigkeit lebt. In unserem Interview spricht er über das Erbe seiner Familie, seine neueste Innovation – einen Weißwein mit nur 10,5 % Alkohol – und warum echter Wein für ihn immer eine Handschrift tragen muss. Ein Gespräch über Charakter statt Masse, über Kunst statt Etikette – und über das, was bleibt, wenn der letzte Schluck getrunken ist.

Herkunft schlägt Sorte

„Wir waren heute bei unserem Winzerhaus in Ratsch“, erzählt Stefan. „Mein Ur-Urgroßvater hat es 1860 gekauft, um Wein fürs eigene Gasthaus zu machen.“ Heute ist daraus ein international gefragtes Weingut geworden. Doch bei aller Entwicklung bleibt Potzinger sich treu: „Sorte ist wichtig – Herkunft ist entscheidend. Ein Sauvignon Blanc aus der Südsteiermark ist weltweit einzigartig.“

Südsteiermark: Viel Potenzial, wenig Bling-Bling

Was macht die Südsteiermark so besonders? „Wir können weltklasse Weißweine machen – und das wissen noch zu wenige“, sagt Potzinger. Auch wenn er bereits zu den Top-Adressen der Region zählt, ist für ihn eines klar: „Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen – aber das macht es spannend.“

Innovation mit Verantwortung

Langweilig wird ihm sein Job jedenfalls nie. „Jedes Jahr ist eine neue Herausforderung. Ich wünsche mir manchmal, ich hätte 30 Jahre mehr Zeit.“ Zu seiner letzten Innovation zählt ein Weißwein mit nur 10,5 % Alkohol: Welschriesling 10,5. „Alkoholfreie Weine haben mich nie überzeugt – also haben wir etwas Eigenes gemacht, das gut schmeckt und zum Essen passt.“

Der Star am Hof: Sauvignon Tradition

Im Glas: Sauvignon Tradition 2024 – ein Südsteiermark DAC. „Das ist unser wichtigster Wein. Jeder Betrieb macht ihn, also sind wir direkt vergleichbar – das motiviert uns enorm.“ Die Reben stammen von verschiedensten Böden – Opok, Kalk, Schiefer – und spiegeln die Vielfalt der Region wider. Besonderheit: Der Wein ist vegan, histamingeprüft und stammt aus nachhaltiger Bewirtschaftung.

Nachhaltigkeit: Ein großes Wort mit konkreten Taten

Doch was heißt das konkret? „Wenig Pflanzenschutz, wenig CO₂-Ausstoß, viel Achtsamkeit – auch gegenüber Mitarbeiter:innen. Nachhaltigkeit betrifft alle Bereiche unseres Tuns.“ Potzinger ist überzeugt: „Das ist keine Option, das ist Pflicht.“

Wie schmeckt Heimat im Glas?

Für ihn ist klar: „Heimat schmeckt nach Frische, Finesse und Tiefe. Die Steiermark bringt Sauvignon Blanc hervor, der nicht laut ist, sondern berührend – ganz anders als etwa in Neuseeland.“ Seine Überzeugung: „Diese Handschrift macht uns einzigartig.“

Klimawandel und Sortenwahl

Sorgen wegen des Klimas? „Sauvignon Blanc ist robust. Wenig Spätfrost-Probleme, hohe Klimaresistenz – für uns ein Glücksfall.“

Blue Chip Selection: Wein als Wertanlage und Weiterbildung

Potzingers Leidenschaft geht über die eigenen Rebzeilen hinaus. Mit seiner Blue Chip Selection kuratiert er High-End-Weine aus ganz Europa – und bietet sie online wie direkt am Weingut an. „Das ist Weiterbildung, Hobby, Faszination. Ich will wissen, was andere tun – und was mich begeistert, das nehme ich auf.“ Mit einem smarten Online-Shop-Konfigurator („nächtelang selbst gebaut“) macht er seinen Kunden das Finden des perfekten Weins einfach – von Business-Dinner bis Liebhaber-Stück.

Was ein Blue Chip Wein mitbringen muss

„Ein Blue Chip Wein braucht Handschrift, Reifepotenzial, Faszination. Die Auswahl treffe ich – ganz subjektiv.“ Und er ist ständig auf der Suche: „Weinreisen sind das Schönste, was es gibt. Wer gute Weine macht, lebt meist auch gut – das sind einfach spannende Menschen.“

Geschmack über Etikett

Und woran erkennt man einen guten Wein? „Am Geschmack – nur daran! Natürlich gibt’s auch schirche Etiketten, die Kult sind. Aber letztlich zählt das, was im Glas ist.“

Der letzte Schluck: Charakter statt Masse

Was trinkt Stefan Potzinger selbst, wenn es um Charakter geht? „Einen Sauvignon aus der Südsteiermark – von dem Winzer, dessen Handschrift mich gerade berührt. Und da gibt’s zum Glück viele!“

Unser Fazit

Stefan Potzinger lebt Wein nicht nur – er denkt ihn weiter. Mit einer Haltung, die Herkunft über Hype stellt. Mit Innovation, die nicht laut, sondern klug ist. Und mit dem Wissen, dass guter Wein nicht nur schmeckt – sondern eine Geschichte erzählt, die man mit jedem Glas neu entdeckt.

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Alexandra Gorsche und Stefan Potzinger © Heimo Jessenko
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