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Andreas Gfrerer

Ein Blick hinter die Kulissen des Hotels Blaue Gans
Alexandra Gorsche © Conny Leitgeb Photography
22. Januar 2025
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Alexandra Gorsche

„Ich glaube, was wir entwickeln müssen, ist dieses gemeinschaftliche Tun und Handeln und Denken.“

Erlebe die Geschichte und Vision hinter dem ältesten Wirtshaus Salzburgs: Andreas Gfrerer verrät, wie er in der Blauen Gans den Spagat zwischen Tradition und Moderne schafft, warum Nachhaltigkeit und Kunst untrennbar verbunden sind und wie ein Hotel zum Ort der Gemeinschaft wird. Ein inspirierendes Interview über Führung, Wandel und die Kraft von Visionen.

Kunst als ganz, ganz großes Thema

ALEXANDRA GORSCHE: 25 Jahre Hotelier – wenn man diese Zeit Revue passieren lässt, wie kann man auf diese Zeit zurückblicken?
ANDREAS GFRERER: Mit großer Zufriedenheit und Freude, weil mir klar geworden ist, dass über die Jahre etwas entstanden ist, was ich eigentlich immer angestrebt habe. Aber manchmal habe ich das als scheitern empfunden, dass ich noch nicht so weit war. Und jetzt nach einem rund Vierteljahrhundert habe ich das Gefühl, jetzt sind wir eigentlich dort, wo es gut ist und wo wir auf einem guten Punkt sind. Und das betrifft vor allem die inneren Strukturen und wie wir mitarbeitertechnisch aufgestellt sind.

Das ist ein ganz wichtiges Thema – Mitarbeiter:innen. Wofür steht denn die blaue Gans?
Blaue Gans steht für Verwandlung im Großen und Ganzen. Wir haben dieses Haus, das aus dem 14. Jahrhundert ist, in ein zeitgemäßes Arthotel verwandelt. Das war aber schon in den 2000er Jahren, wenn wir mit diesem Konzept begonnen haben. Dieses Weiterdenken sozusagen aus der Vergangenheit, die Dinge, die gut waren zu nehmen, sie ins Heute zu setzen und dann auch noch in die Zukunft weiterzuentwickeln, das ist ein wunderbarer Transformationsprozess. Und die Kunst begleitet uns dabei und unsere Gäste dabei und aus dem wird ein sehr schönes, rundes Produkt.

Seit 1350 gibt es dieses Haus, es ist das älteste Wirtshaus in Salzburg. Das bedeutet, wir finden Tradition, wir finden sehr viel Geschichte, wir finden sehr viel Kunst. Wie schafft man es, einen Spagat zwischen Tradition und Moderne zu erreichen?
Es sind Sphären, die miteinander in Kontakt geraten. Und die Kunst ist es eigentlich von unseren Architekten und den Designern, dass die Dinge so miteinander verwoben sind, dass man keine so starken Brüche sieht. Obwohl der eine Raum vielleicht etwas traditioneller ist und der andere moderner gestaltet, haben sie eine Einheit ineinander, dass es ganz selbstverständlich ineinander fließt. Diese Entwicklungsschritte über die Jahre, die sich hier zeigen, sind einzigartig. Wir versuchen nicht krampfhaft eine Moderne irgendwo reinzubringen, sondern wir versuchen, sehr vieles aus dem Haus heraus zu entwickeln.

Sie hatten eine umfassende Neugestaltung, Umgestaltung. Sehr viele Zimmer wurden renoviert. Was war Ihnen am Wichtigsten, als Sie die Architekten beauftragt haben?
Materialien. Es war ganz klar zu sagen, wir möchten gerne Materialien, die sprechen. Wenn man das angreift, möchte man irgendwie auch eine Rückmeldung haben von dem Gegenstand. Holzböden, für mich ist das ganz wichtig, ich hasse Teppichböden. Ich liebe Holz, diese Wohnlichkeit und eine Atmosphäre von Wärme, von Geborgenheit, aber auch von Natürlichkeit und entsprechender Nachhaltigkeit, das sollen die Zimmer transportieren.

Das ist schon ein gutes Stichwort, Nachhaltigkeit. Wie setzen Sie diese um und was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit?
Bedeutet für mich grundsätzlich meine Haltung. Für mich bedeutet es nicht überall irgendwelche Labels und Bio und so weiter raufzukleben, aber es bedeutet auch den einen oder anderen Abstrich zu machen. Bedeutet sämtliche Entscheidungen auch unter diesem Gesichtspunkt zu fällen. Ist das, was ich jetzt hier mache, zum Beispiel Sous-Vide-Verfahren, wirklich notwendig, wenn ich dann so und so viel Plastiksackerl verbrauche, geht es vielleicht nicht auch anders? Sich meinetwegen auch bei diesem Gericht mal dafür zu entscheiden. Wir können ja nicht tausendprozentig alles machen, aber wir haben sehr viele Entscheidungen, die wir ständig treffen, die wir nach diesen Gesichtspunkten auch treffen. Kunst ist hier ein ganz, ganz großes Thema.

Wir versuchen nicht krampfhaft eine Moderne irgendwo reinzubringen, sondern wir versuchen, sehr vieles aus dem Haus heraus zu entwickeln.

„Führungskraft muss anpassungsfähig sein.“

Ich glaube, Sie haben um die 300 Kunstwerke in Ihrem Haus. Nach welchen Kriterien wählen Sie diese aus?
Ich habe versucht, hier einen sehr persönlichen Zugang zu finden. Mich hat mal jemand gefragt, was hast du für ein Sammlungskonzept? Und ich habe gedacht, oh Gott, ich habe kein Sammlungskonzept. Ich habe vielleicht doch ein Sammlungskonzept und das ist einem Hotel sehr angemessen. Dinge, die mich beschäftigen, Themen, die mit mir zu tun haben, persönliche Entwicklungen, die haben meistens dann so künstlerische Entsprechungen im Haus, wo ich weiß, ah, das war jetzt genau die Phase und da ist das Kind auf die Welt gekommen. Da war die Krise. Es gibt ja doch über einen gewissen Zeitraum dann einige Erlebnisse, die man so hat, also Hochphasen und auch irgendwelche Täler, durch die man geht und die Kunstwerke drücken das aus.

Ich habe hier im Haus meine persönlichen Altäre sozusagen und ich kenne die meisten Künstler persönlich. Das Schöne ist auch, dass wir mit Künstlern etwas entwickeln, dass wir ihnen eine Aufgabe stellen, so wie dem Christian Schwarzwald diesen Hoteldurchgang. Da habe ich ihn gefragt, kannst du dir vorstellen, das irgendwie zu beleben, dass man in eine blaue Welt kommt, wenn man eintaucht. Und er hat das sehr, sehr toll gelöst. Das sind spannende Auseinandersetzungen. Am Beginn steht da ein Kennenlernen, so eine grundsätzliche Bereitschaft, etwas miteinander zu machen. Und dann entsteht noch mehr Faszination. Und am Ende, nachdem man sich gut kennengelernt hat über die Phase, entsteht dann ein Kunstwerk. Das bleibt wie eine Erinnerung. Und dann geht man wieder auseinander. Und im Hotel ist es genauso. Check-in und Check-out, so wie das Leben.

Da wir jetzt schon über Check-in und Check-out sprechen – gibt es vielleicht irgendeine Gäste-Rezension, ein Gäste-Feedback, das Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, von der ehemaligen Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler. Die hat gesagt, die Blaue Gans ist wie die Festspiele selbst eine Traditionshüterin und Trendsetterin. Also ein Vergleich mit den Festspielen hat mich schon sehr gefreut.

Das ist mehr als nur ein schönes Kompliment. Mit welchem Gefühl sollen Ihre Gäste Ihr Haus verlassen?
Mit dem Gefühl einer inneren Bereicherung. Ich bin gar nicht der Meinung, dass wir die Gäste immer so begeistern müssen. Ich glaube, wenn dieses kleine Aha-Erlebnis öfter mal passiert, wenn man sagt, das ist schon gut, das ist meins, so sehe ich das auch, wenn da so eine Zustimmung kommt. Oder wenn sogar eine kleine Verstörung kommt und man sagt, das bringt mich jetzt auch weiter, das inspiriert mich. Oder was ist das? Wenn man nach so einer Erfahrung dann dieses Haus verlässt und sagt, würde ich gerne wieder mal herkommen. Das hat mir irgendwas gegeben, von dem ich gar nicht gedacht habe, dass ich das suche, dann wären wir richtig.

Was ist Ihre Version für die Blaue Gans in der Zukunft? Wohin möchten Sie noch gehen?
Ich glaube, es geht noch viel stärker um das Thema Community. Ich glaube, aus Teams, aber vielleicht auch aus Zielgruppen werden immer stärker Gemeinschaften. Ich glaube, es geht darum, viel weniger Workshops anzubieten als Retreats. Es geht vielleicht weniger darum, Wissen zu vermitteln als Sinn. Die Frage, wie wir miteinander arbeiten, wie wir miteinander umgehen, miteinander reden. Ich sehe da eine große Chance für das, was wir tun. Ich glaube, was wir entwickeln müssen, ist dieses gemeinschaftliche Tun und Handeln und Denken. Das ist für mich die nächste große Aufgabe. Wie macht man aus einem Team eine wirklich schöne Gemeinschaft? Was brauchst du dazu? Welche Rituale gibt es da vielleicht? Wie können wir das noch stärker betonen, dass man hier nicht einfach nur zum Arbeiten ist, sondern dass man hier einen wichtigen Teil seines Lebens verbringt. Sowohl als Gäste als auch als Mitarbeiter:innen. Da gibt es eigentlich gar nicht so viel Unterschied. Es soll hier ein guter Ort für Menschen sein. Mittlerweile ist die Unternehmenskultur so stark und so verfestigt, dass es wirklich ein ganz tolles Miteinander ist. Wir haben jetzt am Sonntag unsere Jahresbeginnfeier mit fast 40 Mitarbeiter:innen. Mir ist es sehr wichtig, dass wir gemeinsam auch die Erfolge feiern, die wir haben.

Das ist echt schön, dass man das Team auch da an dem Erfolg teilhaben lässt. Was macht für Sie eine gute Führungspersönlichkeit aus?
Ich glaube, es ist jemand, der antizipieren kann, der empathisch ist, der nicht nur Respekt hat, sondern Wertschätzung sind für mich zwei unterschiedliche Begriffe. Das eine ist die angemessene Distanz, der Respekt. Wertschätzung ist die angemessene Nähe. Ich will mich schon auch involvieren bei Mitarbeiter:innen. Aber es gibt einen gewissen Punkt, wo da auch ein Stoppschild ist. Und den irgendwie zu kennen als Führungskraft, ich glaube, das ist wichtig. Aber leidenschaftlich für seine Leute zu sein, das glaube ich, ist ein Riesenpunkt. Führungskraft muss anpassungsfähig sein. Führungskraft darf nicht machtbesessen sein. Führen hat viel mehr mit Liebe zu tun, als es mit Macht zu tun hat. Und ich glaube, es gehört ein Menschenbild dazu, das umfasst. Wenn ich sage, ich möchte, dass meine Mitarbeiter erfolgreich sind, dann bin ich es auch.

Das sind unglaublich schöne Worte: Führen hat etwas auch mit Liebe zu tun. Ich bedanke mich wirklich für diese wunderschönen Worte und für Ihre Zeit.

Wir versuchen nicht krampfhaft eine Moderne irgendwo reinzubringen, sondern wir versuchen, sehr vieles aus dem Haus heraus zu entwickeln.

Copyright zu den verwendeten Beitragsbildern:
Titelbild von Ingo Pertramer
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Andreas Gfrerer © Ingo Pertramer
Andreas Gfrerer

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